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Treffen mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Aktuelle Lage in Syrien

 

 

Berlin, 24. 08.2011

 

 

Treffen mit dem Beauftragten der Bundesregierung

 für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

 

Aktuelle Lage in Syrien

 

 

Sehr verehrte Damen und Herren,

Sehr geehrter Herr Löning,

 

 

Im Namen der Assyrischen Demokratischen Organisation (ADO) möchte ich Ihnen für die Einladung zu dem heutigen Treffen und die Gelegenheit danken, aus assyrischer Sicht zur aktuellen Lage in Syrien Stellung nehmen zu können.

 

Die Assyrische Demokratische Organisation (ADO) ist eine nationale, politische und demokratische Bewegung, die 1957 mit dem Ziel gegründet wurde, die Existenz des christlichen, assyrischen Volkes im Nahen Osten in voller Verwirklichung seiner legitimen nationalen Rechte zu bewahren.

 

Dies ist heute umso mehr geboten, als die aktuellen tumultarischen Entwicklungen im Nahen Osten die ohnehin prekäre Situation und drängende Not der Assyrer in ihren Heimatländern aufgrund Repressionen und Mordanschlägen noch verschärft haben. 

 

Offensichtlich betreffen die dramatischen Umbrüche alle Menschen der Region.

Doch verbreitet seit der Militärintervention im März 2003 die Eskalation der speziell gegen Christen im Irak gerichteten Gewalt Terror und schiere Verzweiflung in dieser ohnehin bereits von Verheerungen und Verfolgungen heimgesuchten schutzlosen Gemeinschaft, die viele zur Flucht in die Diaspora veranlasst – nach Europa, jedoch u.a. auch nach Syrien, das bekanntlich alles andere als ein Hort der Freiheit ist – nämlich ein die Menschenrechte nicht achtender Polizeistaat.

 

In Syrien leben derzeit ca. 2 Millionen Assyrer – und zwar als eigenständige indigene Volksgruppe, als Minderheit mit eigener Sprache, eigener Kultur und vor allem: in ihrer historischen Heimat.

 

Dennoch sind Assyrer in Syrien nur als religiöse bzw. konfessionelle Gruppe anerkannt. Jegliche eigenständige kulturelle oder politische Betätigung begreift das syrische Regime als systemgefährdende Opposition, die sie vom syrischen Geheimdienst, dem Mukhabarat al-Siyasiya, nicht nur schärfstens kontrollieren lässt, sondern systematisch durch Razzien, Übergriffe, willkürliche Verhaftungen und Folter auszumerzen versucht.

So überfielen z.B. im Mai dieses Jahres die syrischen Sicherheitskräfte nach einer friedlichen Demonstration in Qamishly die Hauptgeschäftsstelle der ADO und verhafteten und verschleppten etliche Mitglieder.

 

Das aktuelle Gesamtbild Syriens stellt sich wie folgt dar:

Seit nahezu fünf Jahrzehnten leidet das Land nunmehr unter strukturellen Krisen der verschiedensten Bereiche:

 

·         politisch,

·         wirtschaftlich,

·         kulturell und

·         vor allem: menschenrechtlich.

 

Ursache dafür ist die Tatsache, dass alle diese Gebiete bislang von einem nicht nur autoritären, sondern totalitären Regime dominiert wurden, das sämtliche Aspekte des Lebens, der Machtstrukturen, Ressourcen und der Wohlstandsverteilung monopolisiert und aggressiv kontrolliert.

 

So verbannt dieses Regime bürgerliche Freiheiten und Rechte, verwehrt den Menschen die für den Erfolg einer demokratischen Gesellschaft unabdingbare Teilnahme am politischen Leben und blockiert sämtliche Wege zu Fortschritt und Entwicklung des Landes.

 

All dies traf mit rapiden Preiserhöhungen, steigenden Arbeitslosenquoten, Armut und einer wuchernden Korruption bislang beispiellosen Ausmaßes zusammen, was zu sich aufstauernder Unzufriedenheit und Verbitterung sowie zu wachsenden Spannungen im Lande führte.

 

Das syrische Volk hat nun die Hoffnung sowie das Vertrauen in die Fähigkeit des Regimes zu Reform und Veränderungen verloren. Unter dem Einfluss anderer Revolutionen in der Region hat sich das syrische Volk erhoben, um mit der Forderung nach Freiheit und Demokratie für seine unveräußerliche Würde und unteilbaren Menschenrechte einzutreten.

Diese weitgehend friedliche Erhebung weitete sich schrittweise und beharrlich auf das gesamte Land aus, bis die Zahl der Protestierenden in die Millionen reichte – trotz aller Konfrontation, entgegen aller Repression und im Angesicht exzessiver Gewalt seitens der Regierungskräfte, die zum Tod tausender unschuldiger Zivilisten führten.

 

Vor diesem Hintergrund ist die ADO seit Jahrzehnten als politische Oppositionspartei in Syrien tätig. Sie ist der weithin als syrische Opposition anerkannten Koalition der "Erklärung von Damaskus für Demokratischen Nationalen Wandel" bereits bei ihrer Gründung beigetreten.

 

Nach unserer Überzeugung gewährleisten nur solche demokratischen und säkularen Oppositionsgruppierungen einen gesicherten Übergang von dem derzeitigen syrischen Regime zu demokratischen, menschenwürdigen Verhältnissen bei gleichzeitiger Achtung und Sicherheit der Minderheiten.

 

Das Bild der syrischen Opposition ist uneinheitlich bis zersplittert und unübersichtlich: Es gibt nicht eine, für das syrische Volk repräsentative Opposition, sondern mehrere Zusammenschlüsse oder Koalitionen mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Vorstellungen davon, wie eine Änderung herbeizuführen ist, wobei eine zunehmende Neigung zu Radikalisierung und dem Einsatz von Gewaltmitteln festzustellen ist.

 

Genau an diesem Punkt setzen Bestrebungen auch nicht-syrischer politischer Kräfte an, solche mehr gewaltbereiten Ansätze und Fraktionen im ihrem eigenen sektiererischen, fundamentalistischen, aber auch regionalpolitischen und sogar geopolitischen Interesse – und nicht im Interesse des syrischen Volkes (!) – als Hebel zur Destabilisierung des Regimes zu instrumentalisieren.

Offensichtlich streben Gruppeninteresse sowie ausländische Interessen einen Regimewechsel durch Chaotisierung der Situation an, nicht aber auf dem Weg einer demokratischen Umgestaltung.

 

Für Assyrer, die die verheerenden Zustände im Irak mit Mordanschlägen gegen Christen vor Augen haben, bedeutet dies eine weitere existentielle Verunsicherung, die viele zur Flucht aus Syrien treibt. Auf diese Weise blutet das assyrische Volk buchstäblich aus und verliert seinen angestammten historischen Platz in der Region.

 

Die ADO hingegen verfolgt eine friedliche Kooperation mit dem Ziel einer friedlichen und soliden Reform der Verhältnisse:

So ist es bezeichnend, dass in dem nördlichen/nordöstlichen Teil Syriens, der zur Jazire zählt, in welcher sich die Assyrer konzentrieren, es bislang nur gewaltfreie Demonstrationen gab, die bislang Massaker verhinderten, wie sie aus anderen Landesteilen berichtet wurden.

 

Um der Zukunft eines gemeinsamen, friedlichen und blühenden Syriens aller seiner Bürger willen konzentriert sich ein Teil unserer Bemühungen auf den Aufbau eines säkularen, pluralistischen, demokratischen Landes auf der Grundlage der Trennung von Staat und Religion.

 

Für die Assyrer selbst strebt die ADO ihre verfassungsmäßige Anerkennung als indigene Volksgruppe in Syrien sowie praktisch wirksame Garantien für ihre vollen politischen, nationalen und kulturellen Rechte an.

 

Darüber hinaus schafft die ADO für alle Bürger des Landes die Grundlage für die Freiheit der Religion, wehrt jeglicher sektiererischen Diskriminierung sowie der Unterdrückung von Frauen und Minderheiten.

Denn die Demokratie und Stabilität des n-e-u-e-n  Syriens werden nur in dem Maße zu verwirklichen sein, als das Land sich imstande erweisen wird,

 

·         die Existenz und die Rechte seiner Minderheiten durch ausdrückliche Verankerung in der neuen Verfassung zu garantieren,



·         diese angestrebten verfassungsmäßigen Rechte durch klar definierte, effektive Mechanismen in aller Gerechtigkeit in die Praxis umzusetzen und zu schützen,



·         die Minderheiten Syriens mit ihren kulturellen Reichtümern einschließlich ihrer Sprachen und ihrer spezifischen konstruktiven Beiträge zur syrischen Gesellschaft im Geiste eines friedlichen, harmonischen und gerechten gesamtgesellschaftlichen Zusammenwirkens praktisch zu fördern.

 

 

Assyrische Demokratische Organisation – ADO Europa

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