Wiesbaden
Revolution in Wiesbaden „on air“
17.03.2012 – WIESBADEN
Von Erdal Aslan
SYRISCHER WIDERSTAND Karim Chamoun moderiert auf Radio Rheinwelle die Sendung „Assyrische Stimme“
Karim Chamoun räuspert sich kurz vorher noch einmal. Das rote Licht im Radiostudio Unter den Eichen geht Sekunden später an – die syrische Revolution ist „on air“.
Von 17 bis 19 Uhr spricht Karim Chamoun dienstags in seinem Programm „Assyrische Stimme“ zu den Zuhörern auf Radio Rheinwelle 92,5. „Ich berichte eigentlich über Themen wie Integration, Kultur, Gesellschaft oder Politik allgemein. Doch inzwischen ist der Widerstand in Syrien mein Schwerpunkt geworden“, sagt der 39-jährige Christ.
Seit dem 18. März vergangenen Jahres (als Startdatum wird zuweilen der 15. angegeben) erhebt sich die syrische Bevölkerung gegen Diktator Baschar al-Assad. Chamoun ist ein vehementer Befürworter des Aufstands. So nutzt der Deutsch-Syrer die Sendung in dem nichtkommerziellen Lokalradio, um die Wiesbadener auf dem Laufenden zu halten. „Ich führe Interviews mit Oppositionellen, lese Nachrichten vor oder beantworte Anruferfragen.“
Die Gespräche finden auf Deutsch und Aramäisch statt, unterbrochen von syrischer Musik. „Leider läuft manchmal ein Großteil der Sendung auf Aramäisch ab. Die Oppositionellen, mit denen ich telefoniere, leben überall auf dem Globus“, sagt Chamoun, der seit elf Jahren ehrenamtlich moderiert. 1988 ist der Elektroinstallateur nach Wiesbaden eingewandert und führt hier einen Handwerksbetrieb.
Chamoun engagiert sich aktiv in der Oppositionsbewegung. Er ist Mitglied in der Assyrischen Demokratischen Organisation (ADO), die im Syrischen Nationalrat (SNR) ein Vorstandsmitglied stellt. Der oppositionelle SNR ist der wichtigste Ansprechpartner für die Weltgemeinschaft.
„Durch die SNR wird auch klar, dass es in Syrien nicht um einen Religionskampf geht. Denn alle Konfessionen sind dort vertreten“, sagt Chamoun, der bald eine entscheidende Entwicklung in Syrien erwartet. „Die Weltgemeinschaft muss militärisch intervenieren. Das, was in Syrien passiert, gleicht einem Völkermord.“ Chamoun fordert einen sofortigen humanitären Luftkorridor.
Dass sich vor allem die Minderheit der Christen – zehn Prozent der Bevölkerung – pro Assad positioniert, weil sie eine islamistische Folgeregierung fürchtet, wertet er als Propaganda. „Damit sollen die Christen eingeschüchtert werden.“ Assad lasse deshalb die radikale Al-Quaida in seinem Land frei walten. „Aber die meisten Anschläge verantworten seine 17 Geheimdienste.“
Drohanrufe und Beschimpfung
Allerdings seien nicht alle syrischen Christen in Wiesbaden seiner Meinung. „Ich erhalte auch schon mal böse Anrufe, werde beschimpft.“ Syrische Spione hätten ihn oder Verwandte in seinem Heimatland bis jetzt nicht bedroht. „Vielleicht bin ich ein zu kleiner Fisch mit meiner Sendung im Lokalradio. Aber in der Revolution zählt jede einzelne Stimme.“
Syrischer Widerstand via Radio: Karim Chamoun hält im Studio Unter den Eichen die Wiesbadener auf dem Laufenden. Foto: RMB/Kubenka