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Spendenaktion für syrischen Flüchtlinge auf dem Justus-von-Liebig-Gymnasium

 

Sehr verehrte Lehrer,                                          

Liebe Schülerinnen und Schüler,

Lieber Mahir,

Im Namen der Assyrischen Demokratischen Organisation ADO möchte ich mich recht herzlich für die mir gebotene Gelegenheit bedanken, heute zu Ihnen sprechen zu dürfen.

Mein Thema ist ein kurzer Überblick über die derzeitige Situation in Syrien aus der Perspektive der Zivilbevölkerung, die einem Krieg ausgesetzt ist, der in den Medien bedauerlicherweise zuweilen als „Unruhen“ oder „Konflikt“ verharmlost, in Verkennung der Fakten fälschlich „Bürgerkrieg“ genannt wird und regelmäßig der Gleichgültigkeit der Weltöffentlichkeit anheimfällt.  

Gerade einmal 4 – 4,5 Flugstunden von Deutschland entfernt, hinter den verlockenden Urlaubsstränden des Mittelmeeres, beginnt … DIE HÖLLE: Syrien.

 

Kaum vorstellbare Grausamkeit, Massenmord, Entführung, Lösegelderpressung, Folter, Vergewaltigung, Hungertod, Zerstörung von Städten, Verwüstung ganzer Landstriche und Vernichtung uralter Kulturgüter.

140.000 Tote seit Beginn des Krieges 2011, mehr als zwei Millionen Syrer sind aus dem Land geflohen, 6,5 Millionen weitere sind innerhalb Syriens auf der Flucht, insgesamt 9,5 Millionen Syrer mangels ausreichender Ernährung und medizinischer Versorgung in Not.  

1)  Wie kam es zu dieser humanitären Katastrophe?

2)  Warum ist der Weltöffentlichkeit nur ein Teil der Verbrechen gegen die Menschlichkeit überhaupt bekannt, die sowohl vom Assad-Regime als auch von  sog. „Rebellen“ gegen die Zivilbevölkerung verübt werden, welche  zwischen den Kriegsparteien zerrieben wird?
3) Gibt es eine Lösung? Und wenn ja, welche? Wie könnte ein neues Syrien aussehen?

Seit dem Staatsstreich 1963 regiert die Baath-Partei Syrien, ein Land mehrerer Völker und Religionen: Moslems wie Sunniten, Alawiten, Christen verschiedener Konfessionen, Araber, Assyrer, Armenier, Kurden, Turkmenen.

Nähere Hintergrundinformationen über Bevölkerung, Sprachen und Religionen Syriens können Sie dem 4-seitigen Flugblatt entnehmen, das wir für diesen Zweck zusammengestellt haben.

Aufgrund der sozialen und politischen Missstände kam es im Frühjahr 2011 zu Demonstrationen gegen die diktatorische syrische Regierung.

Unter dem Einfluss vor allem äußerer politischer Kräfte sowie Ausland (USA, England, Saudi-Arabien, Qatar, Golfstaaten, Türkei) gelenkter, finanzierter und auch aus dem Ausland stammender radikaler Jihadisten – d.h. Terroristen, die al-Qaida und anderen Gruppierungen angehören –  schlug diese Protestbewegung alsbald in blutige Auseinandersetzungen um und eskalierten zu einem mörderischen Krieg, in dem alle Bestimmungen des humanitären Völkerrechts verletzt wurden und werden.

Auch Russland und Iran engagierten sich: Nicht aus Bevorzugung des syrischen Präsidenten Assad oder gar aus Freundschaft zu ihm – wie in den Medien zu lesen ist,  sondern da beide Staaten eine Ausweitung der Kämpfe und des Terrorismus auf andere Länder in Art eines Flächenbrandes und mit einer Zerschlagung des syrischen Staates und einem Regime-Wechsel eine Destabilisierung der gesamten Region befürchteten.

 

Aufgrund eben dieser Einmischung externer Mächte mit global-strategischen Interessen ist es also keineswegs korrekt, nur von einem „Bürgerkrieg“, also von einem inner-syrischen Krieg, zu sprechen.

Seither kämpfen etliche Fraktionen um die Macht: eine gemäßigte syrische Opposition, die leider nicht alle innersyrische Oppositionskräfte demokratisch repräsentiert, die Regierung und terroristische Banden, die von soweit her wie England, Tschetschenien, Nordafrika usw. stammen und nach letzten Schätzungen mittlerweile die Zahl von 120.000 bis 140.000 Personen erreicht haben.

Diese bekämpfen sich – Alle gegen Alle – wiederum untereinander, bilden Bündnisse, die wieder zerfallen und sich neu formieren.

Schon fast am nächsten Tag fallen sie in wechselnden Allianzen wieder übereinander her, aber stets gemeinsam über die leidtragende Zivilbevölkerung, besonders über die ihnen jeweils verhassten Minderheiten wie z.B Christen und Alawiten, welche sie als Geisel nehmen, deren Lebensmittelversorgung sie blockieren, so dass es zu Hungernöten und Hungertod kommt.

Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, fanden 2 internationale Konferenzen, Genf 1 und Genf 2, statt, die allerdings bislang keine greifbaren Ergebnisse vorweisen können, die die Situation insgesamt beruhigen und insbesondere der Bevölkerung helfen könnten.

Wie sollte dies auch möglich sein,

1a) wenn der sog. „Westen“, vornehmlich die USA, nach wie vor in erster Linie an einem Regime-Wechsel in Syrien interessiert ist, den sie am liebsten durch militärisches Eingreifen herbeiführen möchte?

Eine kriegerische Intervention wurde nur dank des Eingreifens der UN-Sicherheitsmitglieder Russland und China abgewendet;

1b) wenn der „Westen“ eben nicht alle beteiligten Kräfte für eine gemeinsame Lösung einbinden will, sondern von vornherein die zwangsweise Abdankung der Assad-Regierung betreibt, was zu einer völligen Destabilisierung der staatlichen Strukturen, eben auch der Versorgungsinfrastruktur führt … und damit keineswegs im Sinne der gemäßigten Opposition ist, der an einer Stabilisierung und Rettung von Menschenleben liegt?

Irak und Libyen sollten warnende Beispiele für eine völlige Chaotisierung infolge einer militärischen Zerschlagung der sozialen und Infrastruktur eines Landes sein.

2) Wie sollte eine Konferenz wie Genf 2 Erfolg haben, wenn die radikal-islamistischen Kräfte von vornherein jeden Dialog verweigern?

3) Wenn die syrische Opposition nicht alle Beteiligten repräsentiert?

4) Wenn zudem plötzlich der Syrische Nationalrat aus dem größeren Bündnis der Syrischen Nationalkoalition austritt und die Verhandlungsbereitschaft verweigert?

Ein mörderisches Chaos!  Das Beste, was in der bestehenden Situation erreicht werden kann, sind einzelne „Lösungen vor Ort“, d.h. dass vereinzelte lokale Waffenruhen abgeschlossen werden, um die eingeschlossene, zwischen die Fronten geratene Bevölkerung zu evakuieren und/oder um sie mit Lebensmitteln zu versorgen.

Die Genf 2-“Verhandlungen“ – soweit man sie überhaupt so nennen kann – mit ihren komplexen Dokumenten, Diskussionen und gegenseitigen Anschuldigungen der Beteiligten, Intrigen und Falschinformationen in den Medien verdienen eine gründlichere Behandlung, die heute in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist.

Stattdessen möchte ich auf 2 besondere Aspekte zu sprechen kommen:

1) Wie kommt es – wie ich vorhin sagte – dass der Weltöffentlichkeit nur ein Teil der Verbrechen gegen die Menschlichkeit überhaupt bekannt ist, die sowohl vom Assad-Regime als auch von Rebellen gegen die Zivilbevölkerung verübt werden, die zwischen den Kriegsparteien zerrieben wird?

2) Welches sind die Ziele der syrischen Opposition, wie sie auch von der Assyrischen Demokratischen Organisation, der ADO, mitgetragen werden, um ein neues, ein demokratisches, ein pluralistisches Syrien zu schaffen?

 

Zu 1) Mangelnde Information der Öffentlichkeit:

Warum ist dies der Fall? – Weil die Fakten von den Medien nicht recherchiert und nicht wahrheitsgemäß berichtet werden.

Zudem liegen vielen Politikern weniger die Opfer am Herzen als die Aussicht, die Notsituation der Bevölkerung für einseitige Kriegspropaganda mit dem Ziel zu instrumentalisieren, den jeweiligen Gegner niederzuringen.

Da werden einerseits Fakten unterschlagen, wenn sie nicht ins eigene Bild passen, und andererseits werden unbegründete Vorwürfe erhoben, Geschichten erfunden und Fakten manipuliert, kurz: es wird gelogen, dass sich die Balken biegen.

Dafür 2 typische Beispiele:

BEISPIEL 1:

Im August 2013 fand in Ghouta, einer Vorstadt von Damaskus, ein Massaker mit Chemiewaffen gegen die Zivilbevölkerung statt, das sofort der Assad-Regierung angelastet wurde.

Obwohl Russland Gegenbeweise vorlegte, übernahmen die Medien kritiklos die hauptsächlich von den USA erhobenen, aber nie bewiesenen Anschuldigungen.

Mit diesen sollte eine sogenannte „humanitäre Intervention“ in Syrien gerechtfertigt werden, also ein Militärschlag, dem auch viele Zivilisten zum Opfer gefallen wären.

Glücklicherweise wurde dies durch eine diplomatische Initiative des russischen Außenministers Sergei Lawrow verhindert, in deren Folge der Kompromiss geschlossen wurde, auf einen Krieg zu verzichten, wenn Assads Chemiewaffen außer Landes gebracht und vernichtet würden. Dieser Prozess dauert immer noch an.

Nun aber wird es interessant:           Ende 2013 verfassten Richard Lloyd, ein ehemaliger UN-Waffeninspektor, und Theodore Postol, Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT), einen Untersuchungsbericht, der die bisherigen Daten und Informationen in Frage stellte, die von den US-Geheimdiensten als Grundlage für den Vorwurf des Chemie-Massakers Assads gegen die Bevölkerung benutzt wurden.

Ergebnis der Untersuchung:          Das Massaker konnte aus rein technischen Gründen nicht von Assads Truppen, sondern nur von den terroristischen Rebellen begangen worden sein.

Zudem kam ans Licht, dass die US-Geheimdienste gezielt Informationen unterdrückt hatten, um das von ihnen politisch-gewünschte Ergebnis zu produzieren, mit dem eine Militärintervention gerechtfertigt werden sollte.

BEISPIEL 2:

Im Januar 2014 besuchte eine Delegation von Würdenträgern syrischer christlicher Kirchen Washington, D.C., um über die humanitäre Katastrophe zu berichten.

An dieser Veranstaltung nahm auch der amerikanische Senator McCain teil, der sich – als „Falke“ bekannt –  für eine Militärintervention und die Unterstützung der radikal-islamistischen  Kräfte einsetzt.

Als ihm von den unerträglichen Leiden allein der christlichen Syrer berichtet wurde, die täglich Morde, ja Enthauptungen, terroristische Angriffe auf Schulbusse sowie Folter und Entführungen von Hand eben dieser radikal-islamistischen, Kräfte erlitten und immer noch erleiden, passte ihm es nicht recht in sein selbstgerechtes Weltbild, so etwas über seine jihadistischen Schützlinge zu hören.

Und vor allem: Es passte nicht in sein Kriegskonzept: Er sprang auf und stürmte aus dem Raum.

Egal was die Terroristen unternehmen, egal wie barbarisch es ist – es ist völlig egal, solange nur diese Kräfte gegen Assad eingesetzt werden können.

Jedenfalls ist es McCain egal.

Der Zivilbevölkerung hingegen nicht.

Und es sollte auch uns nicht egal sein, auch wenn wir von + aus den zumeist inkompetenten und unkundigen Medien unvollständig oder sogar falsch informiert werden.

Dank des Internets ist es heutzutage viel leichter, zusätzliche Informationen zu sammeln, die für die Beurteilung der Medienberichte und für ein ausgewogeneres Urteil über die Situation hilfreich sind.

Zu meinem letzten Punkt:

Welche Ziele verfolgt die syrische Opposition – gemeint ist die inner-syrische, die nicht von fremden politischen Interessen gelenkte Opposition?

Welche „Ungeheuerlichkeiten“ werden denn da wohl verlangt?

Forderungen für ein neues Syrien

 

  Das neue Syrien ist ein demokratischer, pluralistischer und ziviler Staat; eine parlamentarische Republik mit Souveränität des Volkes, basierend auf den Grundsätzen gleichberechtigter Staatsbürgerschaft mit Gewaltenteilung, reibungsloser Übertragung der Macht, der Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes und der Gewährleistung der Rechte von Minderheiten.

 

Das neue Syrien garantiert für all seine Bürger, was durch internationale Gesetze in Bezug auf die Menschenrechte und grundlegende Freiheit des Glaubens, der Meinungs-, Rede-, Versammlungs-, Pressefreiheit und andere Rechte erklärt wird. Darüber hinaus werden alle seine Einwohner gleiche Rechte und Pflichten ohne Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft, Religion oder Geschlecht genießen.

Das neue Syrien, mit seinem zivilen und demokratischen System und der Verfassung, bietet die beste Sicherheit für alle Syrer aller ethnischen und religiösen Hintergründe.

Die Verfassung garantiert die nationalen Rechte für das assyrische Volk und eine Lösung für die assyrisch-syrische Frage in einer demokratischen und fairen Art und Weise im Rahmen der Einheit des syrischen Territoriums und der Menschen, sowie die Ausübung der Rechte und Pflichten durch gleichberechtigte Staatsbürgerschaft unter allen Bürgern.

Das neue Syrien garantiert volle Rechte von Frauen, einschließlich der Gewährleistung ihrer wirksamen Beteiligung am politischen Leben und aller anderen Sektoren.

Die Demokratie und Stabilität des neuen Syriens werden also nur dann verwirklicht sein, wenn sich das Land imstande erweist

  die Existenz und Rechte der Minderheiten durch eine ausdrückliche Verankerung in der Verfassung zu garantieren

  die angestrebten Rechte durch klar definierte, effektive Mechanismen in die Praxis umzusetzen und zu schützen

und die Minderheiten mit ihren kulturellen Reichtümern einschließlich ihrer Sprachen und spezifischen Fähigkeiten anerkennt und diese fördert.

 

Vielen Dank für Ihr geduldiges Zuhören!

Issa Hanna

2. Vorsitzender

Assyrische Demokratische Organisation(ADO)

Sektion Mitteleuropa

 

 

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